Der Herr ist mein Hirte

Gary Wilkerson

In vollkommenem Frieden leben

Alle Christen haben in ihrer Nachfolge Jesu hohe Berggipfel ebenso wie tiefe dunkle Täler erlebt. Aus meiner Erfahrung sind es die Täler – die Tiefpunkte, Anfechtungen und schwierigen Zeiten –, die uns lehren, Menschen des Gebets, der Hoffnung und des mutigen Dienens zu sein. Mit anderen Worten sind es die Täler, in denen wir lernen, auch in turbulenten Zeiten Gottes treue Zeugen zu sein, denn genau dort lernen wir seine Treue in unseren tiefsten Nöten kennen.

Wie so viele Nachfolger Jesu weiß auch ich die einleitenden Wort in Psalm 23 sehr zu schätzen: „Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln“ (Psalm 23,1). Uns wird versichert, dass wir einen treuen Hirten haben, der uns durch alle Stürme und Nöte leitet und uns sicher durch jede Situation manövriert. „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen“ (Verse 2-3).

Was für starke Bilder für einen inneren Frieden in Krisenzeiten. Unser Hirte leitet uns an wunderbare Orte, doch derselbe Hirte leitet uns auch durch schwieriges Gelände. Das lässt in uns eine starke Gewissheit entstehen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde“ (Verse 4-5).

Diese Verse sprechen von den düsteren Zeiten des Lebens: von Unglück, Tod und Feinden. Gott nimmt uns von solchen Zeiten nicht aus. Vielmehr beweist er uns in allen Lebenslagen seine Treue. Persönlich würde ich es vorziehen, immer nur auf grünen Auen zu bleiben, aber das ist nicht die Realität. Düstere Zeiten treffen jede/n von uns, aber Psalm 23 versichert uns, dass selbst im größten Chaos und Aufruhr der Große Hirte treu an unserer Seite ist und uns leitet.

Im Angesicht von „Feinden“ – einer Pandemie, wirtschaftlichen Turbulenzen, dem Verlust geliebter Menschen – erfahren wir die Tiefe der Treue Gottes zu uns.

In Psalm 23 spiegelt sich die Geschichte des Volkes Gottes. Der Herr versprach den Kindern Israel, sie aus der Sklaverei zu befreien und in das Verheißene Land zu führen, in ein Leben von „Milch und Honig“. Stellen Sie sich vor, wie begeistert die Menschen waren. Doch das versprochene Leben, auf das sie sich schon freuten, verwirklichte sich nicht sofort.

Tatsächlich schien ihre Zukunft irgendwann sogar das genaue Gegenteil zu sein. Sie hätten eigentlich in nördlicher Richtung nach Kanaan wandern müssen, doch Gott führte sie nach Süden zum Sinai, mitten in einem trockenen Wüstengebiet ohne Nahrung oder Wasser. Was beabsichtigte Gott damit, dass er sie an diesen Ort führte, wo sie schmerzlichen Mangel erlebten?

Etwas Ähnliches geschah im Leben des Patriarchen Josef. Er empfing einen himmlischen Traum, in dem er sah, wie andere sich vor ihm verneigten. Doch bevor dieser Traum sich verwirklichte, wurde Josef von seinen eigenen Brüdern entführt, in einen Schacht geworfen und in die Sklaverei verkauft, wo er schließlich nach einer falschen Anklage in ein Verlies geworfen wurde. Was in aller Welt hatte der Große Hirte vor?

In solchen Zeiten trauern und stöhnen unsere Herzen ängstlich, doch solche Erfahrungen sind nicht unbedingt schlecht. Niemand sucht von sich aus nach Erfahrungen mit dem „Tal des Todes“, und unsere Kultur sagt uns, dass wir sie um jeden Preis meiden sollten, während das ideale Leben von nie endendem Glück und Freude geprägt sein sollte. In Wirklichkeit sind es die Täler, in denen Gott ein zutiefst schöpferisches Werk in uns tut. Tatsächlich vollziehen sich gerade dort einige der wichtigsten Dinge, die Gott in uns wirkt; sie hinterlassen tiefe Friedensspuren in uns, die den Rest unseres Lebens nachhaltig prägen können.

In der Wüstenzeit Israels brachte Gott ein Volk hervor, das dazu bestimmt war, ein Licht für die Nationen zu sein. Die Israeliten lernten in ihren schlimmen Sünden seine große Vergebung kennen. Sie lernten in allen ihren Nöten und Krisen seine beständige Barmherzigkeit kennen.

In den Krisen, die Josef durchmachte, reinigte Gott diesen begabten und begnadeten jungen Mann von Stolz und Überheblichkeit, sodass seine Gaben zu gegebener Zeit eine ganze Nation aus einer Hungersnot retten konnten. Wahrscheinlich nutzte der Herr diese Krisen auch dazu, in Josef eine Empathie zu entwickeln, sodass er im entscheidenden Moment seinen Brüdern vergeben und sie befreien konnte – die Männer, aus denen einmal die zwölf Stämme des auserwählten Volkes Gottes hervorgehen würden. Alle Entscheidungen Gottes für uns sind weise und barmherzig und erfüllen seine göttlichen Absichten. 

Ich habe gelernt, dass der tiefe Friede, der durch unsere Krisen in uns gewirkt wird, meist in drei Phasen kommt.

Wenn wir Krisen durchmachen, fällt es uns oft schwer, trotzdem unseren Frieden zu behalten. Das ist die erste Phase, durch die Gott uns in schwierigen Zeiten als unser Hirte führt. Ich nenne diese Phase das Problem des Friedens.

In Matthäus 10,12-13 weist Jesus seine Jünger an: „Wenn ihr aber in ein Haus geht, so grüßt es; und wenn es das Haus wert ist, kehre euer Friede dort ein. Ist es aber nicht wert, so wende sich euer Friede wieder zu euch.“ Wenn ich das lese, verstehe ich es so, dass der Zustand eines Hauses dem Zustand eines Herzens entspricht. Gott möchte, dass jedes Herz den Frieden seines lebendigen Wortes empfängt. Doch nicht jeder Mensch ist bereit, sein Wort anzunehmen; das gilt sogar für einige von uns, die wir ihm nachfolgen.

Wir müssen uns selbst fragen, ob wir für die Führung und Leitung des Herrn, für seine Impulse und seine Zurechtweisung offen sind. Schließlich könnte es sein, dass er uns statt auf eine grüne Aue in eine dürre Wüste führt. Rüsten wir uns mit seiner Macht, seiner Absicht und seinen Plänen für unser Leben aus oder mangelt es uns an dem Vertrauen, dass er das Beste für uns im Sinn hat?

Gottes Friede wird uns nie erreichen, wenn wir ihn als ein zu lösendes Problem oder als ein zu bewältigendes Dilemma verstehen. Paulus schreibt sogar: „Der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus“ (Philipper 4,7; EÜ; Hervorhebung des Autors).

Dies führt uns zur zweiten Phase auf dem Weg zum Frieden Gottes. Ich nenne diese Phase den Preis des Friedens. Wir müssen nicht angestrengt suchen oder darum ringen, den Frieden des Herrn zu finden. Jesus hat am Kreuz schon den Preis dafür bezahlt, dass wir seinen Frieden empfangen können. Wir müssen diesen Preis – das vergossene Blut Christi – auf unsere Herzen anwenden und in seinem Frieden bleiben, der uns vom Himmel her geschenkt wird. Mit seinem Frieden können unsere Herzen nicht erschüttert werden.

Die dritte Phase auf dem Weg zum Frieden Gottes ist die Verheißung des Friedens. Jesus versichert uns: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ (Johannes 14,27).

Irren Sie sich nicht: Jesus steht treu zu seinem Wort. Würde er auch nur einem seiner Kinder seinen Frieden verweigern, wäre sein Wort nicht wahr. Wir wissen, dass das nicht möglich ist. Paulus sagt es so: „Es ist vielmehr so: Gott ist wahrhaftig und jeder Mensch ist ein Lügner“ (Römer 3,4; NLB).

Was ist also die Frucht dieses dreistufigen Weges zum Frieden? Wenn wir für seine Stimme und seine Führung offen bleiben – selbst wenn das eine Wüstenerfahrung bedeutet, – wird uns die „friedsame Frucht der Gerechtigkeit“ zugesagt. „Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind“ (Hebräer 12,11; SLT; Hervorhebung des Autors). Indem wir der Führung unseres Hirten folgen, wird unser Leben zu einem lebendigen Zeugnis seiner Gerechtigkeit, geprägt von unerschütterlichem Frieden und selbstloser Opferbereitschaft.

Vielleicht ist Ihr Herz weit offen für diese Wahrheit, aber Sie spüren dennoch nicht seinen Frieden.

Wie jede Frucht des Geistes ist auch der Friede eine Frucht, die reifen muss. So wie unsere Weisheit reifer wird, so reift auch unser Friede. Gott lässt sie kontinuierlich durch unsere Erfahrungen wachsen, so wie auch jede andere Frucht. Stellen Sie sich in Gedanken vor, wie der Same einer Blütenpflanze gesät wird. Während der Same aufgeht und wächst, ist die junge Pflanze Windböen und Regengüssen ausgesetzt, doch Gott hat sie so geschaffen, dass sie diesen regelmäßigen Belastungen standhalten und dabei weiter wachsen kann. Er erhält diese Pflanze, und irgendwann wird sie erstaunliche Früchte tragen.

Mich trösten die Worte des Psalmisten, der jedem Menschen, dessen Herz für die treue Führung des Guten Hirten empfänglich ist, zuspricht: „Achte auf den, der aufrichtig und ehrlich ist, denn dieser Mensch hat eine Zukunft in Frieden“ (Psalm 37,37; NGÜ). Treue Christen können stürmische Zeiten durchmachen und es mag so scheinen, als würden sie durch ihre Krisen hin und her gerissen, doch Gott hält Frieden für ihre Zukunft bereit.

Wenn Sie noch keinen Frieden empfinden, warten Sie getrost ab. Der Friede in Ihnen wird wachsen. Die Friedenszusage kommt von Gott selbst, und Jesus hat schon den Preis dafür bezahlt. In Ihren Herausforderungen und Krisen baut er eine Zukunft auf, in der Sie nicht nur in beständigem Frieden leben, sondern auch die entsprechenden Früchte tragen werden, indem Sie Werke der Gerechtigkeit tun, die in Ewigkeit Bestand haben.

Folgen Sie Gottes Führung und vertrauen Sie auf sein schöpferisches Werk in Ihnen. Das alles gehört zu der Absicht, die für Ihr Leben im Sinn hat. „Wenn es dich müde macht, mit Fußgängern zu gehen, wie willst du mit Rossen wetteifern?“ (Jeremia 12,5). Wir wurden dazu erschaffen, mit seinem durchtragenden Frieden in unserem Herzen einen Wettlauf zu bestehen.

Wir leben in einer Zeit und einem Umfeld, das „Wohlstand, Wohlstand, Wohlstand“ predigt. Doch wir alle werden durch Täler zu gehen haben, und als Gottes Volk wissen wir, dass unsere Krisen einer besonderen Absicht dienen. Denn gerade dort kommt die barmherzige Schöpferkraft des Herrn zum Tragen. Das Tal ist der Ort, an dem wir uns dem Problem des Friedens stellen; behalten Sie den Preis für den Frieden in Erinnerung und leben Sie in seiner Friedenszusage.

Es gibt keine grünere Weide als ein Herz, das fähig ist, die „friedsame Frucht der Gerechtigkeit“  zu säen. „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“ (Psalm 23,6).